Unterunterabschnitt 4.2.3.3

4.2.3.3. Regelung und Schutz des Gemeingebrauchs

Der Gemeingebrauch unterlag der landespolizeilichen Aufsicht. Er konnte durch die Gesetzgebung geregelt und geordnet werden, durch die Staatsregierung im öffentlichen Interesse eingeschränkt, in gewisser Beziehung verboten und durch öffentliche Maßnahmen, wie etwa Flusskorrektionen, Einzelnen auch ganz entzogen werden.[487] Er war kein Eigenrecht, so dass in derartigen Fällen kein Anspruch auf Entschädigung entstand.

Soweit das Gesetz nicht eine Art des Gemeingebrauchs bevorzugte oder sonst Beschränkungen eingeführt hatte, galt der Grundsatz, dass jeder Bürger gleiches Recht – einer so viel wie der andere – hatte. Daraus folgte die Regel: Jeder durfte nur insoweit und nur in der Art Flüsse und Bäche in seinem Privatinteresse nutzen, dass er nicht andere dadurch in dem ihnen zustehenden Mitgebrauch beeinträchtigte oder auf andere Weise Dritten einen Nachteil zufügte.[488]

Zum Schutz der Ausübung des Gemeingebrauchs an öffentlichen Gewässern vor Beeinträchtigungen durch Handlungen Dritter stand im römischen Recht eine Reihe von Interdikten (als Popularklagen) zur Verfügung.[489] Die Popularinterdikte dienten zum einen dazu, den Gemeingebrauch überhaupt aufrecht zu erhalten, zum anderen, um bestimmte Hindernisse und Nachteile für den einzelnen Beteiligten in seinem besonderen Interesse zu beseitigen. Die statthaften Rechtsmittel schienen zur Sicherung eines vollständigen Schutzes des Gemeingebrauchs an öffentlichen Flüssen, waren indes namentlich dann nicht ausreichend, wenn Ansprüche Gleichberechtigter zusammenstießen.[490] Damit folgte aus der Natur des Gemeingebrauchs, dass sowohl seine verschiedenen Arten, als auch die gleichen Arten miteinander kollidieren konnten. Daraus wurde das Recht, aber auch die Pflicht des Staates abgeleitet, durch die Gesetzgebung und durch obrigkeitliche Entscheidungen das Verhältnis zu regeln und in Fällen einer allgemeinen Gefahr den Gemeingebrauch einzuschränken.[491] Das galt umso mehr in Staaten wie Braunschweig, wo Popularklagen nicht üblich waren.[492] Zum Schutz des Gemeingebrauchs konnte hier auf die alten römischen Popularinterdikte nicht zurückgegriffen werden, so dass es dem Gesetzgeber oblag, Vorschriften zur Ausübung und zum Schutz des Gemeingebrauchs zu erlassen.


[487] Dazu bereits EICHHORN, Einleitung, S. 665.
[488] Nachweise aus den römischen Quellen bei HESSE, a. a. O., S. 256.
[489] Siehe die Aufzählung bei HESSE, Grundzüge, in: Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Band 7 (1865), S. 257 ff.
[490] HESSE, a. a. O., S. 260.
[491] HESSE, a. a. O., S. 268.
[492] Siehe dazu 6. ordentl. LT von 1848-1851, Anl. 1 zu Protokoll Nr. 162, S. 5.