Gang der Darstellung und Quellen

Die Arbeit wählt eine Kombination aus chronologischer und systematischer Darstellung und thematisiert in einem ersten Schritt die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen, die den Erlass des neuen Wasserrechts bestimmten und bedingten.

Die 1832 in Kraft getretene neue Verfassung des Herzogtums regelte die Gesetzgebung, aber auch das Handeln von Verwaltung und Justiz in Braunschweig zum Teil von Grund auf neu, was berücksichtigt werden musste, soweit es sich auf die Wassergesetzgebung auswirkte.

In Folge der Agrarreformen begann sich die ursprüngliche Agrargesellschaft nach 1834 zur Industriegesellschaft zu wandeln, bis in Folge der industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Landwirtschaft und Industrie gleichermaßen um die Nutzung der Gewässer konkurrierten. Vor dem Hintergrund der auftretenden Nutzungskonflikte wird schließlich das bereits vor Inkrafttreten der neuen Gesetze Ende 1851 im Herzogtum geltende Wasserrecht anhand der zeitgenössischen Quellen, insbesondere der zivilrechtlichen Literatur dargestellt, um die Frage nach der Notwendigkeit eines neu zu erlassenden Wasserrechts beantworten zu können. Auskunft über das im Untersuchungszeitraum in Braunschweig geltende partikulare Privatrecht geben die Darstellungen von Steinacker[39] und Hampe[40]. Älteres Partikularrecht des 18. und frühen 19. Jahrhunderts lässt sich dem Promtuarium von Fredersdorff[41] entnehmen, das ab 1832 verabschiedete Landesrecht der amtlichen Gesetz- und Verordnungssammlung (GVS).[42] Daneben stehen auch private Sammlungen von Gesetzen, Verordnungen usw. des Herzogtums zur Verfügung, etwa die von Bege[43] und Wolff[44].

Die Frage nach dem Auslöser des ersten Gesetzgebungsverfahrens schließt den ersten Teil ab und leitet den zweiten Teil der Arbeit ein, in dem die Wassergesetzgebung von 1849 bis 1851 untersucht wird. Dazu werden die am Normsetzungsprozess beteiligten Akteure identifiziert und ihr Zusammenwirken analysiert. Dabei interessiert u. a., von wem die Initiative bzw. der „politische Impuls“ ausging und welche Akteure auf Seiten von Regierung und Landesversammlung welche Anteile an den letztlich in Kraft getretenen Gesetzen hatten. Vorab werden insbesondere die Regelungen zum Gesetzgebungsverfahren in der NLO und der aufgrund § 152 NLO erlassenen Geschäftsordnung für die Landschaft des Herzogthums dargestellt.

Entsprechendes gilt für den dritten Teil der Arbeit, in dem das von 1870 bis 1876 andauernde zweite Gesetzgebungsverfahren behandelt wird. Die Untersuchung beider Verfahren zeigt insbesondere, von wem die Initiative ausging oder wer Anträge stellte, wie der erste Entwurf ausgestaltet war und wie während der Beratungen in der Landesversammlung aus den Regierungsvorlagen die letztlich in Kraft getretenen Gesetz entwickelt wurden. Die Beiträge einzelner Abgeordneter und der an den Beratungen beteiligten Vertreter der Regierung erklären Verlauf und Ergebnisse der Lesungen in der Landesversammlung; ebenso die zu einzelnen Akteuren ermittelten biographische Einzelheiten, insbesondere ihre fachlichen Qualifikation und ihre Nähe oder Zugehörigkeit zu einzelnen Interessengruppen (Landwirtschaft, Industrie, öffentliche Verwaltung). Beide Gesetzgebungsverfahren konnten anhand der Akten der Landesversammlung[45] sowie der Landtagsdrucksachen, insbesondere verschiedener Kommissionsberichte, Protokolle und Sitzungsberichte sowie Schreiben des Staatsministeriums nachvollzogen werden.[46] Ergänzend wurden die in den Braunschweigischen Anzeigen[47] abgedruckten Sitzungsberichte ausgewertet.

Die im Niedersächsischen Landesarchiv – Staatsarchiv Wolfenbüttel – vorhandenen Aktenbestände des Staatsministeriums dokumentieren die Ausarbeitung der Regierungsvorlagen der Wassergesetze durch das Staatsministerium im Zusammenwirken mit der beratenden Ministerialkommission indes nicht (mehr), so dass insbesondere deren Mitwirkung nur auf ihrer normativen Grundlage[48] rekonstruiert werden konnte.

Indem nicht nur vorhandene Rechtsnormen zusammengestellt und systematisch dargestellt, sondern vielmehr Zusammenhänge verdeutlicht und vor allem anlässlich der Untersuchung des vor Inkrafttreten der neuen Gesetze geltenden Wasserrechts terminologische Mehrdeutigkeiten, Unklarheiten und Widersprüche fest­gestellt wurden, ist die Untersuchung auch logisch-analytisch und geht damit über die deskriptiv-empirische Dimension hinaus.[49] Normative Vorgaben enthält die Arbeit dagegen nicht, denn die Rechtsgeschichte kann sie nicht liefern, sondern nur die Möglichkeit zu aufgeklärterem Handeln.[50]

Der Sinngehalt der seinerzeit geltenden Normen wird durch Anwendung der gängigen juristischen Auslegungsmethoden ermittelt, wobei es im Rahmen einer historischen Untersuchung anders als bei der Rechtsanwendung gerade nicht darum gehen kann, den gegenwärtigen Normsinn zu ermitteln, sondern vielmehr den damals aktuellen Regelungsgehalt. Daher kommt hier der historischen und der subjektiv-teleologischen Auslegungsmethode eine besondere Bedeutung zu,[51] während die objektiv-teleologische keine Rolle spielt.[52]

Jeweils abschließend werden die Ergebnisse beider Verfahren vor dem Hintergrund der eingangs zitierten Forderung der Kommission bewertet, um klären zu können, ob und wie weit die Wassergesetzgebung der Verwaltung im Herzogtum ein verwaltungsrechtliches Instrumentarium zur Verfügung stellen konnte, mit der sie die Interessen des öffentlichen Flusses zum Schutz vor „schädlichen Eigenmächtigkeiten“ im „öffentlichen Interesse“ vertreten konnte.


[39] STEINACKER, Adolf: Particulares Privatrecht des Herzogthums Braunschweig, Wolfenbüttel 1843.
[40] HAMPE, A[ugust]: Das particulare Braunschweigische Privatrecht, Braunschweig 1896.
[41] FREDERSDORFF, Leopold Friedrich (Hrsg.): Promtuarium der Fürstlichen Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landes-Verordnungen in einem wesentlichen Auszuge derselben; Sieben Teile, Braunschweig 1775-1816.
[42] Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande, Braunschweig 1832-1917 (fortan: GVS).
[43] BEGE, Carl (Hrsg.): Repertorium der Gesetz- und Verordnungs-Sammlung für die Herzoglich Braunschweigischen Lande von den Jahren 1831 bis 1832 mit erläuternden und ergänzenden Rescripten, Instructionen, Bekanntmachungen ect., nebst chronologischen Verzeichnissen aller darin vorkommenden Rescripten, Instructionen ect. und einem vollständigen Sachregister der Jahre 1814 bis 1832. Dritter Theil., Helmstedt 1834 (zitiert: BEGE, Teil …, S. …).
[44] WOLFF, Hermann (Hrsg.): Sammlung der Reichs- und Landesgesetze für das Herzogthum Braunschweig. Band I und II., 2. Aufl., Braunschweig 1900.
[45] NLA-StA WF, 12 Neu 5, Nr. 602; NLA-StA WF, 12 Neu 5, Nr. 609; NLA-StA WF, 12 Neu 5, Nr. 610; NLA-StA WF, 12 Neu 5, Nr. 611 und NLA-StA WF, 12 Neu 5, Nr. 679.
[46] Zu jeder Sitzung der Stände- bzw. später Landesversammlung wurden Protokolle und Sitzungsberichte veröffentlicht. Beide mussten herangezogen werden, da die Protokolle vollständig sind, aber jeweils regelmäßig nur eine gestraffte Zusammenfassung enthalten, die ohne die Kommissionsberichte etwa, auf die das Protokoll Bezug nimmt, nicht erschlossen werden kann. Die Sitzungsberichte dagegen geben nicht immer den gesamten Verlauf der Beratungen wieder, sind dafür teilweise deutlich detaillierter, da sie neben vollständigen Beiträgen einzelner Abgeordneter und Vertreter des Staatsministeriums zum Teil auch Auszüge aus den beratenen Gesetzesentwürfen enthalten. Anders als die Protokolle wurden die Sitzungsberichte in den Braunschweigischen Anzeigen (s. Fn. 47) veröffentlicht, so dass sie entsprechend ausführlicher sein mussten, sollten die Leser den Inhalt nachvollziehen können.
[47] Offizielles Regierungs- und Anzeigeblatt, erschienen von 1745 bis 1923.
[48] Gesetz über die Organisation, den Geschäftskreis und das Verfahren der Ministerial-Commission vom 30. Oktober 1832, GVS Nr. 22.
[49] Dazu ausführlich: ALEXY, Theorie, S. 307 ff., insbes. S. 309.
[50] HENNE in Anlehnung an DILCHER, Verwaltungsrechtsschutz, S. 4 Fn. 12 m. w. N.
[51] Die historische und die subjektiv-teleologische Auslegung werden zuweilen gleichgesetzt, was nicht korrekt ist: Während bei der historischen Auslegung Entstehungsgrund und -geschichte der Norm im Vordergrund stehen, ist das Ziel der subjektiv-teleologischen Auslegung die authentische Zweckbestimmung des historischen Gesetzgebers.
[52] Zur Bedeutung der einzelnen Auslegungsmethoden für den Rechtshistoriker s. WIEACKER, Methodik, S. 40.