Unterunterabschnitt 4.2.3.2

4.2.3.2.       Inhalt und Ausübung des Gemeingebrauchs

Der Gemeingebrauch bestand in den Wassernutzungen, welche die Bürger eines Staates zunächst in ihrem Privatinteresse ausübten. Das Wasser wurde daneben aber auch von Gemeinden, dem Volk insgesamt oder vom Staat selbst im allgemeinen Interesse unmittelbar oder mittelbar genutzt. Schon bei den Römern kam es vor, dass sowohl der Staat als auch Gemeinden bestimmte Nutzungen an einzelnen dem Gemeingebrauch unterliegenden Objekten verpachteten und damit dem Gemeingebrauch der einzelnen Bürger entzogen. Auch konnten die Gemeinden den Gemeingebrauch innerhalb ihres Bezirkes wohl durch Statuten regeln und damit der Willkür des Einzelnen gewisse Grenzen setzen.[484]

Bei Ausübung des Gemeingebrauchs galt der Grundsatz, dass die einen allgemeinen oder gemeinnützigen Zweck erfüllende Art des Wassergebrauchs den Vorzug vor den Arten des Gemeingebrauchs hatte, die nur dem Privatinteresse diente. Vorrangig war daher der Gebrauch des Wassers zu öffentlichen Zwecken, für das Volk im Ganzen, wie etwa zu öffentlichen Wasserleitungen oder zur Schifffahrt oder zum Flößen. Erst danach kamen die anderen Arten des Gemeingebrauchs im Interesse Einzelner.[485] Zu den letztgenannten zählte das Ableiten von Wasser aus einem öffentlichen Fluss oder Bach zum Verbrauch für haus- oder landwirtschaftliche Zwecke. Es war allerdings dann nicht erlaubt, wenn auf dem Gewässer die Schiff- oder Floßfahrt betrieben wurde, das Gewässer dazu diente, ein anderes Gewässer flöß- oder schiffbar zu machen, wenn das Gewässer zu allgemeinen oder öffentlichen Zwecken (Wasserleitung) genutzt wurde oder wenn Gesetze oder polizeiliche Verordnungen entgegenstanden. In derartigen Fällen musste erst eine besondere Erlaubnis zur Ableitung eingeholt werden. Der Natur der Sache nach dienten die Flüsse daneben aber auch zur Aufnahme des abfließenden Regenwassers und anderer von Grundstücken und Gebäuden austretenden Feuchtigkeiten.[486] Grundsätzlich war es daher auch erlaubt, sie in die Gewässer abzuleiten. Eine solche Immission wurde allerdings dann als nicht erlaubt angesehen, wenn sie einem andern einen Nachteil zufügte, den Gemeingebrauch des Gewässers störte oder eine allgemeine Gefahr, etwa in Bezug auf die Gesundheit, herbeiführen konnte.


[484] HESSE, Grundzüge, in: Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Band 7 (1865), S. 252.
[485] Zu den einzelnen Arten des Gemeingebrauchs s. HESSE, a. a. O., S. 260 ff.
[486] HESSE, a. a. O., S. 265.